Hexenmacher by André Wiesler

Hexenmacher by André Wiesler

Autor:André Wiesler
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2010-04-03T22:00:00+00:00


MINNE UND BLUT

Hagen hielt beide langen Waffenröcke vor sich und fragte verzagt: »Den roten oder den grünen?«

Vor dem Fenster des Hauses, das er als Hauptmann der Stadtwache zugewiesen bekommen hatte, zeigte sich schon ein deutlicher Schimmer des Morgens.

Eberwin musterte beide Kleidungsstücke lange und sagte endlich: »Der rote hat einen Fleck!«

»Also den grünen«, beschied Hagen und wollte ihn schon überwerfen, da flüsterte der Bletzer fast: »Der passt nicht zum blauen Wams! Und ohnehin ist es für einen Waffenrock viel zu warm!«

»Eberwin!«, rief Hagen verzweifelt aus.

Wortlos drehte sich der Diener zur Kleidertruhe um, klappte sie mit einer Anmut auf, als wolle er eine Krone herausheben, und reichte ihm schließlich einen leichten weiß-blauen Überwurf.

»Was würde ich nur ohne dich machen?«, fragte Hagen, aber wie so oft schwieg Eberwin höflich zu dieser Frage. Hagen hatte ihn vor etwas mehr als einem Jahr auf Umwegen nach Prag geholt und so erfahren, dass auf Burg Aichelberg alles in Ordnung war. Die Pest, die immer wieder aufflammte, hatte die Gegend bisher verschont. Kajetan hatte, aller Schüler beraubt, die Burg verlassen - gemeinsam mit der dicken Magd Annabell.

Hagen zog sich an, zupfte und richtete die letzten Falten weg und fragte: »Wie sehe ich aus?«

»Wie ein Pfau«, antwortete Eberwin und wich einige Schritte zurück, um nicht in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne zu stehen.

»Du bist doch nur neidisch!«, sagte Hagen lächelnd und winkte nach seinem Schwertgurt, den der Diener ihm gehorsam reichte, auch wenn er dabei den Arm in das goldene Licht strecken musste. Es war nicht so, als schade die Sonne einem Bletzer, aber sie war ihm unangenehm. Eberwin beschrieb es als ›die schmerzhafte Berührung des freudigen Lebens, das meinesgleichen für immer fern sein wird‹.

Hagen nickte ihm dankbar zu. Seit er Eberwin zu sich geholt hatte, war dieser sein Koch, Kämmerer, Diener und Berater in einer Person. Es tat gut, ihn um sich zu haben, und sei es nur, weil er ihn schon so lange kannte.

»Also, kann ich so gehen?«, fragte Hagen und spreizte die Arme ab.

Eberwin musterte ihn einen Augenblick, dann nickte er. »Die Holde wird entzückt sein«, versprach er, aber seine gleichförmige Stimme untergrub dieses Versprechen mühelos und ließ es wie milden Spott klingen.

Hagen verabschiedete sich und schritt die Stufen hinab, ließ Eberwin im schwindenden Schatten des Raumes zurück und trat zur Tür hinaus in den warmen Morgen. Er würde sich sputen müssen, wenn er noch rechtzeitig zum Beginn der Messe im Veitsdom sein wollte.

Auf dem Weg durch die Neustadt Richtung Burg spürte Hagen förmlich die Spannungen, die in der Luft lagen. Prag war wie eine dicke Suppe auf dem Feuer - an der Oberfläche ruhig, aber immer wieder schlug spritzend die Hitze hoch. Dann griffen Hussiten Priester an, plünderten Bäckereien und Lager oder provozierten Prügeleien mit gottesfürchtigen Bürgern. Und Hagen hatte den Eindruck, als würde eher noch ein Zahn zugelegt und die Hitze größer.

Wenzel unternahm wenig dagegen und lähmte so auch den Rat, der gerne für mehr Ruhe gesorgt hätte. Die schlimmsten Hussiten, die sogenannten Taboriten, galt es nach Hagens Meinung mit Stumpf und Stiel auszureißen.



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